Treffen | Titel | Autor |
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24.01.2024 | Das Leben ist ein vorübergehender Zustand | Gabriele von Arnim |
13.03.2024 | Während die Welt schlief | Susan Abulhawa |
17.04.2024 | Frei – Erwachsenwerden am Ende der Geschichte | Lea Ypi |
05.06.2024 | Offene See | Benjamin Myers |
17.07.2024 | 8 Werke:
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Paul Auster |
18.09.2024 | Der Gesang der Berge | Nguyen Phan Que Mai |
06.11.2024 | Dschinns | Fatma Aydemir |
11.12.2024 | Stuttgart zur Stunde null | Kai Bliesener |
Autorin: Susan Abulhawa 432 Seiten, TB Heyne 2023 Die Autorin, 1970 geboren als Kind palästinensischer Flüchtlinge, wuchs in Kuwait, Jordanien und Jerusalem auf und wurde – ihre Eltern hatten sich getrennt – mit 13 Jahren als Pflegekind nach Charlotteville (North Carolina) vermittelt. Sie studierte nach dem Schulabschluss Biomedizin in den USA und lebt heute in Pennsylvania. „Während die Welt schlief“ ist ihr erster Roman, zu dem sie nach einer Palästina-Reise im Jahre 2000 angeregt wurde. Das Buch beschreibt anhand des – fiktiven – Schicksals einer palästinensischen Familie über vier Generationen hinweg die Geschichte Palästinas ab 1941 und die Konflikte und kriegerischen Auseinandersetzungen mit Israel nach dessen Gründung 1948 und der Teilung Palästinas durch die Vereinten Nationen. Das Leben zwischen immer wieder erneuter Vertreibung, Kriegen, aber auch Hoffnungen und Versöhnungsansätzen wird ergreifend, berührend und tief mitfühlend geschildert. Die Versäumnisse, sich historisch rechtzeitig für eine Zwei-Staaten-Lösung zu entscheiden, werden klar herausgearbeitet. Das Lagerleben palästinensischer Flüchtlinge ist von Hass und Verzweiflung geprägt. Das Buch ist eine zum Teil schwer erträgliche Lektüre, wiewohl es zwischendurch auch sehr versöhnliche Botschaften enthält. |
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Literaturkreis Holzgerlingen 13. März 2024 (Stadtbücherei) Der Literaturkreis hatte sich für dieses Buch lange vor dem 7. Oktober 2023 entschieden, als noch keiner ahnen konnte, wie grausam und kontrovers die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen der Hamas und Israel werden würden. Entsprechend schwierig wurde die ungewöhnlich lange Diskussion, die zum Teil von sehr persönlichen |
Autor: Benjamin Myers 268 Seiten, Verlag Dumont Benjamin Myers (Jahrgang 1976) legt mit „Offene See“ sein zweites Buch in deutscher Sprache vor. England 1946: das Land fast bankrott, durch Hitlers Luftkrieg gegen England sind viele Städte zerstört, Fast am Meer angekommen, lernt er eine ältere Frau kennen, Dulcie, die ihn zu einem Tee in ihr Cottage einlädt. Dulcie veröffentlicht die Gedichte von Romy Landau als Buch mit Robert als Mitherausgeber. Es wird ein großer |
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Literaturkreis Holzgerlingen 05. Juni 2024 (Stadtbücherei) Der Literaturkreis hat „Offene See“ mit großem Vergnügen gelesen und lobte die flüssige, gut |
Autor: Paul Auster Der Literaturkreis Holzgerlingen traf sich im Juli 2024 erneut in der Stadtbibliothek, diesmal mit einem ganz neuen Diskussionsansatz: ein Mitglied hatte vorgeschlagen, doch einen Abend lang über das Gesamtwerk des im April dieses Jahres an Lungenkrebs verstorbenen Autors Paul Auster zu sprechen. Mitglieder des Literaturkreises durften sich ein Buch aus der langen Liste dieses führenden zeitgenössischen amerikanischen Literaten aussuchen und es vorstellen. Auf diese originelle Weise kam der Literaturkreis in den Genuss von acht Werken, die – das war bei der Vielfalt von Auster nicht anders zu erwarten – zum Teil äußerst unterschiedlich waren: – „New-York-Trilogie“ von 1989 (3 Bücher) Auster hat viele ungewöhnlich verwickelte und komplexe Erzählungsansätze, in denen es um Leben, Liebe, Heirat, Trennung, Unfälle, Tod und immer wieder überraschende zufällige Begegnungen geht, bisweilen nur durchschaubar, wenn man beim Lesen „ein Organigramm aufmalt“, wie eine Teilnehmerin humorvoll anmerkte. Manches muss man aus der neuidealistischen Bewegung des 19. Jahrhunderts zu verstehen versuchen, und wichtig ist für Auster immer wieder die Bedeutung der Sprache für die Wahrnehmung der Welt. Austers Figuren sind selbst oft Schriftsteller, die sich mit der Unordnung der Welt und dem Chaos der Ereignisse auseinandersetzen. Vieles ist biografisch und zeigt Auster ständig auf der Suche nach dem Sinn des Lebens: wer bin ich, woher komme ich, was mache ich im Jetzt? |
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Literaturkreis Holzgerlingen 17. Juli 2024 (Stadtbücherei) Ausführlich wurde sein letztes Buch diskutiert, das 2023 auf Deutsch erschienen ist: „Baumgartner“, besonders biografisch, weil er sich hier mit Verlustängsten von geliebten Menschen auseinandersetzt und dem „Phantomschmerz“, der ihn quälte – möglicherweise auch schon (hier war der Kreis sich nicht einig) mit einem Blick auf seine nicht heilbare Krebserkrankung und den absehbaren Tod. Überwiegend fanden die Literaturkreisleserinnen und –leser, dass Auster spannend, sehr flüssig und elegant schreibt, mit vielen Gedankensplittern und Zeitkapseln, Rückblicken auf seine frühen Jahre in New York, aber auch auf seine besondere Liebe zu Frankreich, wo er mehrere Jahre verbracht hatte. |
Autorin: Nguyen Phan Que Mai 429 Seiten, Suhrkamp/Insel-Verlag Die Autorin wählt in ihrem Buch die Form einer Familiengeschichte, die im alten Norden Vietnams in Frieden und Wohlstand ihren Anfang nimmt, aber im Zuge fremder Besatzung, Landreform und Krieg eine Geschichte von Vertreibung, Flucht und unsäglichem Leid |
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Literaturkreis Holzgerlingen 18. September 2024 (Stadtbücherei) Beim jüngsten Treffen des Literaturkreises Holzgerlingen im September 2024 in der Stadtbibliothek ging es um das Buch „Der Gesang der Berge“ von der 1973 in Nordvietnam geborenen, heute in Indonesien lebenden Autorin Nguyen Phan Que Mai. Der Hintergrund des Buches ist die lange Geschichte der Unterdrückung Vietnams durch ostasiatische Nachbarn (vor allem Japan und China), Frankreich und die USA. Für viele im Kreis waren dies Tatsachen, die in ihrem Leben über so lange Jahre die Schlagzeilen der Zeitungen und später die Fernseh-Medien beherrschten: die Fortsetzung der französischen Kolonialherrschaft in den fünfziger Jahren, die Teilung des Landes, die brutale Herrschaft der von Moskau und Peking unterstützen kommunistischen Vietminh im Norden und der von den USA nach der Niederlage Frankreichs geführte gnadenlose und opferreiche Vietnam-Krieg vom Süden aus. Wie kann man eine solche Geschichte literarisch verarbeiten? Der Literaturkreis war einerseits erschüttert von den eindringlichen Schicksalen und der dahinter deutlich werdenden Geschichte, andererseits aber unzufrieden mit Stil und Dialogen. Die Sprache sei voller Phrasen und bremse die Leselust. Vielleicht auch ein Problem der Übersetzung? Dennoch: es ist ein großes Verdienst der Autorin, einen Zugang zu der unglaublich grausamen Vergangenheit des Landes möglich gemacht zu haben. |
Autorin: Fatma Aydemir Taschenbuch bei dtv Der deutsch-türkisch Familienroman schildert die Schicksale von sechs Angehörigen der kurdischen Familie Yilmaz: Vater, Mutter und vier Kinder. Der Vater war vor 50 Jahren von Deutschland als Gastarbeiter angeworben worden und arbeitete 30 Jahre in deutschen Fabriken. Er erfüllt sich einen Traum: eine Wohnung in Istanbul zu kaufen, in die er im Ruhestand einziehen und die er später der Familie vererben könnte. Am Tag des Einzugs stirbt er an einem Herzinfarkt. Die Familie kann nur noch zur Beerdigung kommen. Der Roman entwirft ein vielfältiges Bild zu Fragen wie „Was ist Heimat?“, Bedeutung von Familie und Identität, Schweigen und Traumata der Eltern, Entmündigung der Frau, Suche nach neuen Partnerschaften. Jedes Familienmitglied trägt Probleme ganz unterschiedlicher Art mit sich herum – und beschweigt sie. Erst mit dem Tod des Vaters bricht vieles auf. Über allem schwebt die Figur eines Dschinns, der nach islamischer Vorstellung ein „Geistwesen aus rauchlosem Feuer“ ist und ein Dämon oder auch ein Schutzheiliger sein kann. Ganz zweifellos ist in der Wohnung in Istanbul ein Dschinn und „steuert“ vor allem die sehr grundsätzliche Auseinandersetzung der Tochter Sevda mit ihrer Mutter, mit der das Buch – mit einem sehr überraschenden Schluss – endet. |
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Literaturkreis Holzgerlingen 6. November 2024 (Stadtbücherei) Im Mittelpunkt des jüngsten Treffens des Literaturkreises Holzgerlingen im November 2024 in der Stadtbibliothek stand der Roman von Fatma Aydemir „Dschinns“, 2022 für den deutschen Buchpreis nominiert. Die in Karlsruhe geborene Autorin ist Redakteurin bei der „taz“ in Berlin. Dies ist ihr zweiter Roman. Der Roman spricht viele (für einige: zu viele) Probleme aus den aktuellen Diskursen über Migrantenfamilien an. Die vielfältigen Aspekte führten im Literaturkreis aber zu einer äußerst lebhaften Diskussion, in die auch so manche Erfahrung aus dem persönlichen Umfeld einfloss. Der Abend in der Stadtbibliothek war einer der lebhaftesten der letzten Monate. Im Fazit war man sich einig: eine lohnenswerte Lektüre. |